Bruderschaft des Weges swap_horiz

Die Bruderschafts des Weges ist eine geistliche Gemeinschaft von Männern, die ihre Sexualität konflikthaft erleben. Dazu gehören nicht-heterosexuelle Empfindungen (Homosexualität und Bisexualität) genauso wie heterosexuelle Empfindungen.

Auf der Basis der Psychologie und der Sexualwissenschaften haben wir gelernt, dass Sexualität unterschiedliche Gesichter haben kann. Daraus ergab sich für uns die Pflicht, unsere individuellen Neigungen in einem ergebnisoffenen Prozess zu reflektieren und zu verstehen. Als wir verstanden hatten, dass manche unserer sexuellen Strebungen mit Verletzungen unseres Personseins verbunden sind, haben wir uns gegen das Ausleben bestimmter konflikthafter Neigungen entschieden. Als Gemeinschaft haben wir uns einen Raum geschaffen, in dem jeder seine Sexualität und die damit verbundene Geschichte selbstverantwortlich integrieren kann. Dies erkennen wir als eine unserer wichtigsten Aufgaben, damit wir ein selbstbestimmtes Leben als Nachfolger Jesu leben können.

Bei manchen der Brüder hat sich durch eine ergebnisoffene Bearbeitung ihrer Verletzungen eine Öffnung ihres sexuellen Strebens eingestellt. Bei anderen Brüdern hat sich eine solche Öffnung nicht eingestellt. Da sie aber ihren Konflikt nicht in eine Partnerschaft hineintragen wollen und andere und sich selbst nicht zum Gegenstand von sexuellen Bedürfnisse machen wollen, haben sie sich für einen Weg der Enthaltsamkeit entschieden.

So gehören zur Bruderschaft des Weges heute Männer, die bewusst ledig leben und Männer, die mit einer Frau verheiratet sind.

Warum hat sich die Bruderschaft des Weges gegründet? 

Egal ob wir heute heterosexuell oder nicht-heterosexuell empfinden, akzeptieren wir, dass jedes sexuelle Empfinden in uns Teil unseres Lebens ist. Als Menschen, die entdeckt haben, dass mit ihren sexuellen Empfindungen psychische Konflikte verbunden sind, stellen wir vor allem unter den Menschen, die homosexuell oder bisexuell empfinden, eine besondere Gruppe dar.

Für diese Gruppe gab es in den verschiedenen Kirchen keinen Ort, an dem sie über ihr besonderes Schicksal nachdenken konnten. Denn entweder wurde gefordert, dass man sich in Richtung der Heterosexualität verändern oder umpolen lassen muss, oder dass man seine sexuelle Orientierung auszuleben hat.

Die Bruderschaft des Weges haben wir gegründet, damit für Menschen wie uns ein Ort im Leib Jesu entstehen kann. An diesem Ort sollen Männer wie wir in ihrem besonderen Schicksal Unterstützung, Gemeinschaft und einen Raum finden, in dem sie alle Dinge, die sie bewegen, vor Gott bringen und mit Brüdern teilen können. In der brüderlichen Gemeinschaft wollen wir aber auch jeden ermutigen, sich selbstbewusst mit seinem ganzen Leben in die Kirche als lebendiger Teil des Leibes Jesu einzubringen. Daher soll am sicheren Ort der Bruderschaft und jenseits aller Diskriminierung, die wir in unserem Leben erlebt haben, jeder Bruder eine Sprache dafür finden, was ihn ausmacht und was seine Gaben sind. Wir glauben, dass wir durch unsere Verletzungen und das Schicksal, das uns zugemutet wurde, eine Gabe in uns tragen, die uns für die ganze Kirche fruchtbar machen kann.

Da wir bei Menschen mit nicht-heterosexuellem Begehren immer wieder feststellen, dass ihr Leben Veränderungen und Neuentscheidungen unterworfen ist, haben wir die Zugehörigkeit zur Bruderschaft zeitlich begrenzt. So verpflichten sich die Brüder zu einer Mitgliedschaft auf drei Jahre, die immer wieder erneuert werden kann.

Die Bruderschaft des Weges will aber nicht nur unterstützende Gemeinschaft sein, sondern auch eine Stimme in der Kirche für diejenigen, die ihre Sexualität ähnlich konflikthaft erleben, oder die sich aus Gründen ihres Glaubens nicht für einen Weg des Auslebens ihrer sexuellen Orientierung entscheiden wollen.

„Sexualität“ hat viele Gesichter! 

Heute hat sich die Meinung durchgesetzt, Homosexualität oder Bisexualität seien angeboren. Dass die Menschen, die diese Behauptungen aufstellen, selbst nicht an eine angeborene Homosexualität glauben, wird dem klar, der sich mit der Strömung der Sexualpädagogik auseinandersetzt, die heute in die Schulen getragen wird. Dort wird gesagt, der Mensch sei polymorph-pervers veranlagt und könne daher seine sexuelle Neigung immer wieder anders leben. Was stimmt aber nun?

Als Männer, die in ihrem Leben unterschiedliche Sexualitäten kennen und Menschen kennen, die ihre Sexualität als etwas Manifestes erleben, aber auch solche, bei denen sich eine Öffnung ihres sexuellen Strebens aus irgendeinem Grund eingestellt hat, glauben wir: Sexualität ist ein zu komplexes Phänomen, als dass es angemessen wäre, sie auf die einfache Formel "angeboren" oder "fluide" zu begrenzen. Vielmehr glauben wir, dass es viele unterschiedliche individuelle Sexualitäten gibt. Daher wollen wir uns von der Diskussion um "manifest" und "fluide" lösen, um dem Menschen zu begegnen, vor allem dann, wenn er in seiner Sexualität einen individuellen Konflikt erlebt. Denn letztlich sollte es uns immer um den Menschen und um die persönlichen Fragen gehen, die er an das Leben richtet.

Als Männer, die einen Konflikt in ihrer Sexualität empfinden, wissen wir aus vielen Begegnungen nur eines: Sexualität, ob Homo-, Bi-, Hetero- oder Transsexualität, hat viele Gesichter:

Untersuchungen fördern immer wieder zutage, dass ca. 2 % der Männer und Frauen sich als homosexuell fühlend bezeichnen; dagegen sind es nach Untersuchungen meist zwischen 2 - 3%, die sich als bisexuell bezeichnen. Und weitere 9,5 % der Männer und 19,5% der Frauen sagen sogar, dass sie einmal homosexuell empfunden haben, sich heute aber als heterosexuell verstehen (vgl. Schwules Leben in Deutschland, Klaus-Peter Schöppner (Hg.), EMNID & EUROGAY Media, Hamburg 2001) Diese Zahlen decken sich mit unserem eigenen Erleben.

Diejenigen von uns, die in der homosexuellen Szene oder in einer homosexuellen Partnerschaft gelebt haben, bestätigen, dass sie dort vielen Menschen begegnet sind, die in ihrer sexuellen Orientierung nicht festgelegt waren. Mehr noch fanden sie gerade unter Männern, die bisexuell empfunden haben, eine große Not: Denn oft hatten diese Männer Familien, liebten ihre Frau und suchten doch auch die sexuelle Gemeinschaft mit Männern. Dass ein solches Leben nicht nur eine psychische Belastung darstellt, sondern auch mit erheblichen gesundheitlichen Risiken - auch für die Familie - verbunden ist, liegt auf der Hand (vgl. Studie Robert Koch).

Auch unter uns kennen wir unterschiedliche Gesichter sexueller Orientierungen.

  • So gibt es Brüder, die in sich schon immer die Sehnsucht nach der Frau kannten. Ab und zu war da aber auch die Sehnsucht nach der Nähe zu Männern. Erklären können sie sich das nicht. Sie stoßen auf keinen "Konflikt". Ihr Konflikt allein ist, dass sie gerne dem stärkeren Sehnen nach der Frau in sich nachgehen würden, denn inzwischen sind sie verheiratet, haben Kinder. Sie sind in der Bruderschaft, um nach einer langen Zeit der Verdrängung ihrer gleichgeschlechtlichen Impulse, diese in ihr Leben zu integrieren.
  • Es gibt dann aber auch Brüder, die über einige Jahre homosexuell gelebt haben. Sie hatten verschiedene Partner und irgendwann merkten sie, dass sie das einfach nicht mehr wollten. Auch sie fangen mit dem Wort "Konflikt", das für andere bedeutsam ist, aber nichts an. Sie sind in der Bruderschaft, weil sie Abstand vom homosexuellen Leben suchen und Gott Raum geben wollen. Sie wollen wissen, wohin die Reise ihres Lebens geht.
  • Ein anderer Bruder sagt, dass seine Sexualität konflikthaft sei. Nicht weil er einen moralischen Konflikt mit seiner sexuellen Orientierung hat, sondern weil er sein Mannsein immer schon abgelehnt habe. In homosexuellen Beziehungen habe er daher den idealen Mann gesucht, der ihn von dieser Ablehnung erlöst. Eine Beziehung aber wollte er zu den Männern nie, mit denen er Sex hatte. Er ist in der Bruderschaft, weil er dort Männer gefunden hat, die ihn in seinem Mannsein bestärken, was den Selbsthass in ihm vermindert.
  • Ein Bruder hat vor einigen Jahren etwas Unerwartetes erlebt: er hat die Frau seines Lebens gefunden, und seitdem hat sich das irgendwie mit seinen gleichgeschlechtlichen Gefühlen erledigt. Er ist in der Bruderschaft, weil er Unterstützung für seine neue Lebenssituation als Ehemann und Vater braucht.
  • Dann gibt es einen Bruder, der in seiner Kindheit und Jugend sexuell missbraucht wurde. Er hat daraufhin eine stark destruktive Sexualität gelebt. Sich immer wieder anderen Männern unterworfen. Das war seine Form, Zuwendung zu erhalten. Weil er für sich erkennt, dass er sich damit selbst ständig entwertet, sucht er Halt, Nähe, Zuspruch in der Gemeinschaft der Brüder.
  • Ein anderer verheirateter Bruder erzählt, dass er sich eine zeitlang vor allem zu reiferen Männern hingezogen gefühlt hat. Dabei war seine Sehnsucht nie eindeutig sexuell. Es ging eher um Bestärkung, Nähe und Halt. Gleichzeitig fühlte er sich aber nie als vollwertiger Mann, der eine Frau erobern könnte. Irgendwann gelang ihm das aber. Er ist in der Bruderschaft, weil er weiss, dass er in Krisenzeiten und bei besonderen Herausforderungen den besonderen Halt von Männern braucht.

Weil Sexualität viele Gesichter hat, und weil es nur individuelle Wege des Umgangs mit der Sexualität geben kann, machen wir als Bruderschaft keine letztgültigen Aussagen über sexuelle Orientierungen. Aufgrund der Geschichte jedes einzelnen Bruders treten wir dafür ein, dass jeder Mensch die Freiheit haben muss, seine Sexualität zu entfalten. Dazu aber muss er auf sein Herz hören und nicht auf Schlagworte, die heute mehr politisch als wissenschaftlich gebraucht werden.

Aufgrund unserer eigenen Erfahrungen setzen wir uns als Bruderschaft aber auch für das Recht jedes Menschen ein, seine Sexualität und sexuellen Strebungen selbstverantwortlich, ergebnisoffen und frei von allen Erwartungen anderer zu entdecken.

Wir wollen gehört werden!

Weil es verschiedene Lebensschicksale und Gesichter von Menschen gibt, die homosexuell, bisexuell und heterosexuell (etc.) empfinden, wollen wir mit unseren Lebenszeugnissen gehört werden. Wir wollen es hier aber auch offen aussprechen: Wir haben Angst. Denn hinter uns liegt die Erfahrung von gesellschaftlichen Ausschlüssen und die Tatsache, dass wir mit unseren Lebenszeugnissen im Gesetzgebungsprozess um das Verbot von Konversionsbehandlungen gar nicht gehört wurden. So haben viele von uns an Politiker geschrieben und dort von ihrem Leben erzählt. Häufig verbunden damit war die Bitte, dass wir als Gruppe von Menschen, die ihre Sexualität konflikthaft empfinden, nicht vergessen werden.

Für unseren Einwurf, dass Sexualität viele Gesichter hat, hatten die Politiker aber kein Ohr - weder viele Parlamentarier noch irgendein Mitglied des Gesundheitsausschusses, auch nicht der Gesundheitsminister selbst. Auch wurden wir nicht, wie andere Betroffene, zum Hearing bei der Magnus Hirschfeld Stiftung eingeladen. Mehr noch: Manche Politiker verdächtigten uns, Konversionsbehandlungen betreiben zu wollen oder verhöhnten uns offen aufgrund unseres christlichen Glaubens. Dabei wollten wir uns nur für eine gerechte Wahrnehmung aller Gruppen von Betroffenen einsetzen.

Wir haben uns im Laufe des Gesetzgebungsprozesses auch der Presse gestellt. Aber auch dort wollte man nicht unsere Geschichte hören oder verstehen, warum wir unsere Sexualität als konflikthaft empfinden. Immer wollte man uns in Richtung einer Psychogruppe drängen oder uns die Behauptung unterstellen, dass wir annehmen, jede Homosexualität sei konflikthaft und beruhe auf psychischen Konflikten, bei deren Lösung eine automatische Veränderung der sexuellen Orientierung eintreten würde.

Genauso haben wir uns im Zuge der Kampagne um das Gesetz neuerlich an Kirchen gewendet, an Bischöfe, an geistliche Leiter, doch auf unsere Problematik und unser persönliches Anliegen hat kaum einer reagiert.

Heute sehen wir uns aber in unserem Recht, unsere Geschichte in Freiheit erzählen zu dürfen, bedroht. Denn der Gesetzgeber verbietet nicht nur Konversionsbehandlungen oder die Unterdrückung einer sexuellen Orientierung, sondern verbietet auch die Werbung für solche Behandlungen. Da aber unklar ist, was nach Gesetz genau eine Konversionsbehandlung ist, kann jeder, der davon redet, dass er seine sexuelle Orientierung aufgrund eigener Einsicht nicht leben will, für die Werbung für eine Unterdrückung der sexuellen Orientierung angezeigt werden. Und jeder, der von einer Öffnung seiner sexuellen Orientierung erzählt, kann der Bewerbung von Konversionsbehandlung verdächtigt werden. - So stellen wir fest: Uns wird das Recht der freien Rede und des offnen Zeugnisses genommen.

Wir wissen aber eins: Was wir in unserer Sexualität erleben, das ist unser Zeugnis. Und da es in unserem Land viele Menschen gibt, denen es ähnlich geht wie uns, werden wir nicht schweigen, sondern mutig davon erzählen, was wir in uns erleben. Für diese Freiheit setzen wir uns weiterhin ein und auch für die Sicht auf sexuelle Orientierungen. Denn wir halten es für eine Behinderung der freien Entfaltung der Person, wenn der Gesetzgeber uns verordnet, wie wir unsere Sexualität deuten sollen. Wir verstehen unsere Sexualität konflikthaft und dazu müssen wir auch das Recht haben.

Sind wir für oder gegen Konversionsbehandlungen?

Weil immerhin rund die Hälfte aller Brüder, die in unserer Gemeinschaft sind, in einer heterosexuellen Beziehung leben, und weil manche von uns einen ergebnisoffenen Beratungsprozess durchlaufen haben, oder weil unsere Bruderschaft im Nachgang zu einer Seminarserie des idisb e.V. entstanden ist, und weil man diesem Verein immer wieder "Umpolung" und "Konversionsbehandlung" unterstellt, glauben viele, dass wir als Bruderschaft nur ein Ziel haben: Sexuelle Orientierungen, vor allem Homosexualität, Bisexualität etc., müssten sich verändern.

Hierzu sagen wir an dieser Stelle nochmals eindeutig NEIN! Gründe dafür haben wir viele:

  • Wir haben selbst erfolglose Konversionsbehandlungen über uns ergehen lassen: Manche von uns waren selbst Opfer erfolgloser Konversionsbehandlungen. Denn als Christen, die in einem christlichen Raum aufgewachsen sind, dachten wir, dass Veränderung der einzige Weg ist, zur christlichen Gemeinde gehören zu können. Wir haben Gebete über uns ergehen lassen, haben Sünden gebeichtet mit der Hoffnung auf Veränderung, haben sexuelle Impulse unterdrückt u.v.a.m. Das alles aber hat nur den Selbsthass in uns gemehrt, weshalb wir wissen: Konversionsbehandlungen sind zwecklos und schädlich.
  • Wir leben als Gemeinschaft von Männern, die heterosexuelles Erleben und Partnerschaften kennen und die homosexuelles, bisexuelles etc. Erleben kennen: Als Gemeinschaft sagen wir Nein zu jeder Form der Konversionsbehandlung, weil wir das individuelle Schicksal all unserer Brüder ständig vor Augen haben. Würden wir an Konversionsbehandlungen glauben, dann dürften in unserer Bruderschaft auch nur Brüder aufgenommen werden, die so was wie eine "Veränderung" erlebt haben. Oder wir würden aufgrund dessen die Brüder, die eine manifeste nicht-heterosexuelle Orientierung haben, unter Druck setzen, dass sie sich endlich verändern. Das aber tun wir gerade nicht, sondern sehen uns in ein Lebensschicksal gestellt, das wir nicht immer verstehen. Wir wissen nur eines: Jeder Bruder hat seine eigene Geschichte, seinen eigenen Weg, und das fordert unseren ganzen Respekt und unsere Solidarität.
  • Wir stehen für einen ergebnisoffenen Weg der Selbstentdeckung: Wir sagen nein zu Konversionsbehandlungen, weil wir wissen, dass jedes Leben individuell ist. Nur der Einzelne selbst kann sich auf einem ergebnisoffenen Weg verstehen. Genau diesen Weg durften manche von uns in der Beratung des idisb e.V. gehen. Dort wurden wir zur Ergebnisoffenheit ermutigt. Dort wurde uns erlaubt, auf die Stimmen in uns zu hören, die etwas Konflikthaftes spüren. Dort wurden wir zum ersten Mal in unserem Leben zu nichts gezwungen. Weil uns genau dieser Weg geholfen hat, und weil wir wissen, dass man seine eigene Stimme finden muss, um echte Lebensentscheidungen zu treffen, bleiben wir bei unserem Nein gegen irgendwelche Umpolungsversuche.

Was heisst "Veränderung" für uns?

Wenn wir im Rahmen unserer Bruderschaft von "Veränderung" sprechen, dann ist das Wort nicht auf die sexuelle Orientierung gerichtet - sondern auf handfeste, reale Konflikte, die wir in unserem Leben ausgemacht haben. Hier einige der Konflikte, die in unserer Bruderschaft eine Rolle spielen:

  • Veränderung in unserem Selbstbild: Viele von uns tragen ein Bild von sich selbst in sich, das von Stigmatisierung und Angst geprägt ist. Die Angst rührt daher, nicht über seine sexuelle Orientierung öffentlich sprechen zu können. Oder sie ist mit einem Erleben von Stigmatisierung und Ausgrenzung verbunden. Viele von uns wurden aufgrund ihrer sexuelle Orientierungen in christlichen Gemeinden auf die "Krankenbank" gesetzt. Sie waren die Problemfälle oder unnützen Gemeindeglieder, von denen man nichts hat. Andere wurde stigmatisiert, weil sie ihre sexuelle Orientierung als konflikthaft empfanden. Ihnen wurde von Seelsorgern, Pfarrern und Priestern oder Psychotherapeuten eingeredet, dass ihr Konflikt nur eingebildet sei. Dass sie in Wahrheit nur ihre Orientierung unterdrücken würden. - Als Brüder arbeiten wir an einem integrierten Selbstbild, indem wir uns prüfen, aber auch lernen, wieder auf unsere innere Stimme zu hören und unserer Einschätzung zu trauen.
  • Veränderung von Scham: Viele von uns Brüdern empfinden aus unterschiedlichen Gründen Scham. Scham resultiert aus erlebter Stigmatisierung, Scham resultiert bei manchen aber auch aus Verletzungen, die sie von anderen Frauen und Männern erfahren haben. Veränderung heisst hier: Wir helfen den Brüdern, um Scham aufzuarbeiten, so gut wir es als selbsthilfeorientierte Gruppe können. Wir schauen uns gemeinsam die erlebten Verletzungen an und helfen den Brüdern zu einer neuen Selbstbehauptung. Wir unterstützen Brüder im Alltag dann, wenn sie beschämenden Situationen ausgesetzt sind.
  • Veränderung von Beziehungsängsten: Viele Brüder, eigentlich die meisten, waren nie richtig in Gruppen von Männern integriert. Angst vor anderen prägte unser Leben und Rückzug. Dabei wissen wir, dass wir andere Männer brauchen, weil sie uns in Berührung mit unserer eigenen Männlichkeit bringen können. Dazu arbeiten wir immer wieder gemeinsam an der Überwindung von Beziehungsängsten. Denn jeder von uns hat verdient, in das Abenteuer seines Mannseins aufzubrechen.
  • Veränderung im Bereich Kontakt und Nähe: Viele von uns haben es schwer mit Kontakt. Was wir kennen, ist der schnelle, sexuelle Kontakt mit einem anderen Mann. Schwierig wurde es aber immer aber in Beziehungen, in denen Sex nicht der soziale Kitt war, wenn also Begegnung, Kommunikation und eine gewisse Innerlichkeit im Mittelpunkt stand. Veränderung bedeutet für uns, dass wir kontaktfähige Männer werden, die Beziehungen nicht auf Sex reduzieren müssen, sondern wirkliche Freundschaften eingehen können.
  • Veränderung in Bezug auf die eigene sexuelle Orientierung: Viele von uns hätten gern das homo- oder bisexuelle Kapitel aus ihrem Leben gestrichen. Viele von uns würden sich gern in die "Normalbevölkerung" einreihen. Jeder Bruder aber weiss: Die Sexualität gehört zu unserem Leben. Was wir in unserer Sexualität erlebt haben, was wir durchlitten haben, wo wir andere durch sie verletzt haben oder selbst verletzt wurden, gehört zu uns. Veränderung im Bereich Sexualität ist daher von dem Wort Integration und Annahme getragen. Denn wenn wir unsere Sexualität oder sexuelle Orientierung als Feind betrachten, dann spalten wir einen Teil von uns ab. Wir spalten uns aber von der Tatsache ab, dass in unserer Sexualität eine Dynamik schlummert, die etwas Wichtiges zu sagen hat. Daher dürfen wir lernen, sie in guter Weise zu integrieren, indem wir uns die Fragen erschließen, die sie an unser Leben stellt.
  • Veränderung in Bezug auf Süchte: Einige Brüder haben ein sehr exzessive sexuelles Leben hinter sich. Sie kennen daher das Problem von süchtiger Sexualität. Veränderung heisst hier: Zu einem normalen Erleben von Sexualität zurückkehren, Süchte zu überwinden, indem man die Fragen erkennt, die sich in der sexuellen Sucht ihren Weg gebahnt haben.
  • Veränderung der Gottesbeziehung: Die meisten Brüder haben eine Gottesbeziehung, die eher verdammende Züge hat. Dies rührt auch aus Erfahrungen, die wir mit unserer konflikthaft empfundenen Sexualität in der christlichen Welt gemacht haben. Nicht wenige gewannen dort den Eindruck, dass Menschen, die die Ehe brechen, Steuern hinterziehen oder im Alkoholexzess ihre Frauen schlagen, immer noch besser sind, als Menschen, die homosexuell oder bisexuell empfinden. Gott, so unser Erleben, musste uns wohl besonders hassen. Denn wie sonst hätte er uns dieses Schicksal zugemutet. - Veränderung heisst für uns hier: Den himmlischen Vater wieder neu entdecken und mit Jesus entdecken, dass wahre Jüngerschaft manchmal aus Wurzeln wächst, die wir nicht verstehen. Was wir aber verstehen dürfen ist, dass Gott in uns, gerade durch unser Lebensschicksal, etwas hat reifen lassen, was er für sein Reich will. Daher wollen wir uns zu einer selbstbewussten Jüngerschaft hin verändern.

Warum gibt es uns?

Warum also gibt es uns:

  • Uns gibt es, weil es Menschen gibt, die ihre Sexualität konflikthaft empfinden.
  • Uns gibt es, weil in der Gesellschaft und der Kirche für diese Menschen bislang kein Raum existiert.
  • Uns gibt es, weil wir in einer besonderen Lebenssituation stehen, in der wir eine geistlich unterstützende Gemeinschaft brauchen.
  • Uns gibt es, weil wir in unserem Leben Konflikte entdeckt haben, die wir im Schutzraum einer heilende Gemeinschaft bearbeiten wollen.
  • Uns gibt es, weil wir ein Ort brauchen, an dem wir mit unserer besonderen Lebensberufung unsere Nachfolge Jesu formulieren wollen.
  • Uns gibt es, weil wir als gemeinsame Stimme für diejenigen Stimme sein wollen, die über ihre konflikthaft empfundene Sexualität noch nicht reden können.
  • Uns gibt es, weil wir uns dafür einsetzen, dass Menschen wie wir einen Platz in Kirche und Gesellschaft erhalten.
  • Uns gibt es, weil es Ungerechtigkeiten und öffentliche Stigmatisierungen gibt, gegen die wir uns wenden.
  • Uns gibt es, weil wir durch alles, was wir tun, Licht in der Welt und Salz der Erde sein wollen.