Gebet der Bruderschaft swap_horiz

Das Gebet ist für uns kein Ritual. Auch wenn wir uns in unserer Bruderschaft eine Ordnung für das Gebet gegeben haben, so will sie nur eine Unterstützung für die Begegnung mit Gott sein. Denn Gebet ist für uns Begegnung und Gespräch mit Gott, das unserem Leben Sinn vermitteln will, das unser Leben verändern will und das es auf ein Ziel hinführen will: Dass wir als Kinder Gottes und Männer Gottes offenbar werden sollen, um Gott zu verherrlichen und anderen Hoffnung auf Leben zu geben.

Wir beten 

Wir beten, weil wir wissen, dass uns Gott als lebensschaffendes und identitätsstiftendes Du begegnen will. Er ist der Vater, der als Schöpfer unser Dasein will! Er ist der Sohn, der uns erlöst hat! Er ist der Heilige Geist, der uns in dunklen Stunden tröstet und uns hilft auf dem Weg der Wahrheit zu bleiben! - So suchen wir als Brüder das Gebet, weil wir dort dem dreieinigen Gott begegnen, der uns in der Mitte unseres Personseins als einer anspricht, der uns schon immer als unverwechselbares Ich gedacht und gewollt hat.

Das Hingabegebet 

In der Mitte unserer Ordnung des Gebetes stehen drei Hingabegebete, mit unterschiedlicher Intension. In ihnen drückt sich in besonderer Weise unser Wunsch aus, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist zu begegnen.

  • Hingabe an den Vater: Das erste Hingabegebet ist von Charles des Foucauld. Es ist an den Vater gerichtet. Wir geben uns dem Vater hin, um uns täglich bewusst zu machen: Auch wenn uns unsere leiblichen Väter wenig auf dem Weg unserer Männlichkeit unterstützt haben, so sind wir nicht vaterlos. In Gott haben wir einen Vater, dem wir uns überlassen dürfen.
  • Hingabe an Jesus Christus: Das zweite Hingabegebet ist nach dem Grundsatz und Fundament der ignatianischen Exerzitien formuliert. Im Mittelpunkt des Gebets steht das Scheitern, das jeder Mensch erleben kann. Wir geben uns in diesem Gebet an Jesus hin, der in den Augen der Welt gescheitert ist. Sein Geist lehrt uns, wie wir trotz Begrenzung Gott verherrlichen können. Für uns, die unfreiwillig von dem Thema der Homosexualität betroffen sind, ist dieses Gebet von besonderer Bedeutung. Denn unsere Betroffenheit grenzt uns von anderen ab und unterscheidet uns von anderen Männern. So müssen wir anderen gegenüber öfter als andere unser Leben, unseren Lebensweg, unsere Gefühle, unser So-Sein, erklären. Ja selbst unsere Veränderung oder Nicht-Veränderung und unsere unterschiedlichen Sehnsüchte, die in unterschiedlichen Situationen unterschiedlich stark auftreten, müssen wir erklären. Daneben sind uns im Leben bestimmte Dinge nicht möglich, die anderen Männern selbstverständlich möglich sind. Unser Leben ist also gekennzeichnet durch die Erfahrung der Begrenzung. Wenn wir aber beten „Mein Herr und mein Gott, Du allein weißt, wie mein Leben durch alles Scheitern hindurch gelingen kann“, dann glauben wir, dass Gott unser Leben dann, wenn wir es annehmen und es treu in der Nachfolge Jesu leben, zu einem sinnhaften, fruchtbringenden Leben verwandeln kann.
  • Hingabe an den Heiligen Geist: Im dritten Gebet steht der Heilige Geist im Mittelpunkt. Er soll uns in alle Wahrheit leiten. Zentral für das Gebet ist die Aussage: Lege mir heute mein Kreuz auf und gebe mir eine besondere Möglichkeit meinem Ich abzusagen und abzusterben, damit Jesus Christus in mir Leben kann. Damit halten wir an der Grundwahrheit Jesu fest: Wir können unser Leben nur finden, wenn wir es verlieren. So können wir nur ein guter Bruder für unsere Brüder sein, wenn wir unsere Belange einen Augenblick zur Seite stellen, um dem Bruder alle Aufmerksamkeit zu geben. Wir können nur ein guter Ehemann sein, wenn wir uns dem höchsten Gut unseres Partners verpflichten und nicht immer nach unserem Vorteil schauen. Und wir können im Leben nur dann ein guter Vater sein, wenn wir bereit sind, für die Bedürfnisse unserer Kinder, eigene Bedürfnisse hinten an zu stellen. - So bitten wir den Heiligen Geist uns durch Hingabe den Weg zur Wahrheit unserer Person zu zeigen. Wir wissen auch, dass dies mit Kosten verbunden ist und nicht selten mit Schmerz. In dem wir aber den Heiligen Geist anrufen, wissen wir auch, dass wir damit die göttliche Person anrufen, die uns tief in unserem Herzen trösten will.

Gewissensforschung und der liebende Blick Jesu 

Das Ziel unseres Lebens ist, dass wir zu dem Bild und Gleichnis werden, das Gott sich von uns gemacht hat, zu Verherrlichung seines Namens. Täglich wollen wir diesem Ziel ein Stück näher kommen. Daher steht am Anfang und Ende des Tages die Gewissensforschung. In dieser Zeit nehmen wir am Morgen den vor uns liegenden Tag in den Blick. Wir fragen uns: Wo sind wir heute herausgefordert? Wo könnte das Leben scheitern? Wo sind wir von Beschämung, Minderwertigkeit und Ängsten bedroht? Oder wo könnten uns unsere Hauptfehler oder unsere charakterlichen Schwächen ein Bein stellen? In der Zeit der Gewissensforschung bleiben wir nicht bei diesen Fragen stehen, sondern prüfen, wer uns in der Situation von Ängsten oder innerer Verwirrung unterstützen könnte oder an welchen Bruder wir uns während des Tages wenden könnten. - Am Ende des Tages schauen wir dann zurück und prüfen, was uns gelungen und weniger gut gelungen ist. Dabei üben wir uns in den liebenden Blick Jesu ein. Denn unser Blick ist oft verurteilend. Jesu Blick sieht aber tiefer: Er sieht auch noch im Scheitern allen guten Willen, alle Mühe, allen Kampf. Daher bitten wir am Ende des Tages: „Herr, lass uns mit deinem liebenden Blick auf unser Leben schauen, damit wir durch deine Augen und durch dein Herz hindurch uns selbst und unsere heutigen Mühen erkennen. Beschenk uns mit dem Blick deiner Barmherzigkeit und Wahrheit, denn dies baut unser Leben auf und macht uns Mut, das Leben morgen neu zu wagen.“

Das Gebet für den Bruder 

Bruderschaft leben ist schwierig. Noch schwerer ist es in einer Bruderschaft zu leben, in der Menschen zusammengefunden haben, die in ihrer Seele verletzt sind. Scham und Schuld, Verstrickungen und Ängste spielen in unserer Bruderschaft sicher eine größere Rolle als in anderen Gemeinschaften. Während uns aber die Scham und die Schuld einredet, dass andere bestimmt etwas gegen uns haben, so soll das Gebet uns zum Herzen des Bruders führen. Das geschieht in dem wir in der Fürbitte sprechen: „Herr, zeige mir das Herz meines Bruders, wie du es siehst!“ - Gott erhört solche Bitten gern. Und wenn er uns durch seine Augen Einblick gibt, in das Herz des Bruders, dann erkennen wir: Er ist so anders, als wir uns ihn vorgestellt haben. - So soll das Gebet für den Bruder uns helfen, den Blick Gottes einnehmen zu können. Durch diese Art des schauenden, fürbittenden Gebetes, wird die Gemeinschaft unter uns gestärkt und die Fürbitte füreinander vertieft.

Fußwaschung

Zu unserem Gebet gehört auch die Fußwaschung. Wir haben sie als unsere Form der liturgischen Feier aufgenommen, da wir aus Gründen des Gehorsams gegenüber unseren Kirchen keine gemeinsame Eucharistie feiern. Wir sehen im Zeichen der Fußwaschung auch eine Feier, die unsere Gemeinschaft als Bruderschaft vertieft. So sagen wir mit der Feier, dass wir im Alltag dem Zeichen Jesu folgen: Wie er uns gedient hat, so dienen wir einander. Wie er für seine Jünger alles gegeben hat, so dürfen wir auch für den Bruder alles geben. - Gleichzeitig fasst die Fusswaschung unsere Auffassung vom christlichen Leben zusammen: Wir können unser Leben und unsere Gemeinschaft als Bruderschaft nur erfüllen, wenn wir uns dem dreieinigen Gott und den Brüdern hingeben.